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Werkeinführung

MUTTERLAND - Konzert für Klavier und Orchester

Satzfolge

  1. GENESIS - Das Leben erwacht
  2. LUMENIA - Es sei die das Licht gegeben
  3. SYMBOLUM - Bekenntnisse
  4. APOTHEOSIS - Am Ende das Leuchten

Vorwort der Notenausgabe

Meine Mutter kam neunzehnhundertsiebenundzwanzig in Halle an der Saale zur Welt. Neunzehnhunderteinundsechzig erfuhr ich den Lebensbeginn in Eisenach, einer bürgerlich-verschlafenen, am ihrem Südrand vis-à-vis der Wartburg jedoch idyllischen wie geschichtenschwangeren Kleinstadt am Thüringer Wald. Im historischen Villenviertel begegnete ich der Musik und die Musik musste mich in all meinen kargen Anfängen ertragen – ich war kein Wunderkind. Ohne meine Mutter und der weiterhin vielen Frauen mit Einfluss auf mein Da-Sein, hätte ich keine Vorstellung von einem anderen Leben.

Wenn ich mit diesem Stück heute einen Rückblick wage, dann geschiet das nicht um der Selbstdarstellung willen. Der Titel MUTTERLAND ist vieldeutig zumal für mich das Wort Vaterland in meinem vaterlosen Aufwachsen schon immer etwas Unwirkliches bedeutete. Meine Heimat ist schon biografisch bedingt ein Mutterland. Mein erster Klavierunterricht oder meine Zeit als Meisterschüler der Komposition – es waren Frauen, die mich beeinflusst, zuweilen auch nachhaltig geprägt haben. Manchmal geschah diese Prägung auch dadurch, dass ich sie so ernst nahm, nicht auf sie zu hören.

Ich bin kein Verfechter des Feminismus, weil ich glaube, dass er meiner Ansicht von der besonderen Rolle der Frau abträglich sein kann. MUTTERLAND ist kein ‚Frauenstück‘. Vielmehr hat es etwas mit der weiblichen Haut der Landschaften und Persönlichkeiten und dem drohenden Licht der Färbungen zu tun, die meine Musik prägen.

Ich bin kein Modernist. Wenn ich bei einer Idee, so neu und exorbitant sie auch sein mag, nicht von dieser femininen Haut berührt werde, dann ist sie unbrauchbar für mich. Daher haben Moden ebenso wie die Suche nach dem Unerhörten keine besondere Anziehungskraft in meinem Denken und Fühlen. Die Postulate der westlichen Moderne relativieren sich schnell. Wenn mich jedoch etwas berührt, dann darum, weil die geistige oder emotionale Dimension das möglich macht. MUTTERLAND erzählt über die Vergangenheit das Gegenwätige, ist also Narrativ im Sinne des Begriffs der Moderne.

Es ist ein genesishaftes Beginnen, dem erst ein apotheotisches Feuer das Verglühen bringt. Dazwischen sind die langen Abschnitte der Lichtblicke und überzeugenden Bekenntnisse. Am Ende ist das Leuchten, welches ein neues Werden ermöglicht. MUTTERLAND will dieses Leuten sein.

Halle, im April 2020





© 2006 Thomas Buchholz - Komponist

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