Werkeinführung
Sieben Posaunen für Posaune, Sprecher ad lib. und Orgel (2016)
Verlag Neue Musik Berlin, NM 2599 ISMN M-2032-3229-2 ISBN 978-3-7333-1810-9
Lange musste Hendrik Reichardt warten bis mir eine Idee für die Besetzung Posaune und Orgel kam. Mit zunehmendem Alter habe ich gelernt, nicht für jede Gelegenheit einer Aufführung ein Stück liefern zu müssen.
Oft ist es so, dass Werke reifen wollen. Ich lasse mir mit zunehmendem Alter mehr Zeit, bevor ich die Idee für ein neues Werk zur Reife gelangen lasse. Zu groß die Verantwortung, einfach etwas hinzuschreiben, dessen ich
mir nicht ganz sicher bin. Manchmal ist es auch schwer, Anlässe zu bedienen, die den Veranstalter bewogen haben, ein bestimmtes Motto über ein Programm zu setzten. Bei Luther ist das allerdings anders,
da ich als Christ in der Lutherischen Kirche konfirmiert bin und darüber hinaus als gebürtiger Eisenacher ohnehin eine gewisse Verbundenheit von Kindheit an zu Luther habe. Mein Elternhaus stand unweit der Wartburg
und über viele Jahre führte mich mein Schulweg am Luther-Haus vorbei. Für mich war damit seit früher Schulzeit eine Beschäftigung nicht nur mit Bach, sondern auch mit Martin Luther programmiert, was ohnehin eine
wunderbare Verbindung ist.
Es ist schwierig, über eine eigene Musik zu verbalisieren; hat man doch die Überzeugung, alles bereits im Klang ausgedrückt zu haben. Und das, was man rein aus struktureller, formaler Ebene weitergeben kann, ist oft nur
für die Kollegen der wissenschaftlichen oder komponierenden Zunft von Interesse. Außerdem verkehren diese nach einem weisen Rat Robert Schumanns wohl eher mit den Partituren, was ich aus Erfahrung gut verstehen kann.
Der Text der Apokalypse des Johannes in der sprachlichen wie orthografischen Originalfassung von Luthers Übersetzung ist insofern interessant, als dass Luthers sachliche Theologie dem stark spirituell überhöhten Text begegnet.
Viele christliche Glaubensgemeinschaften benutzen die Apokalypse für eigenwillige exegetische Schlüsse. Aber auch unter wisssenschftlich orientierten Bibelforschern ist der Text immer noch reich an Unerklärbarem und bietet
daher viel Raum zu Spekulationen.
Die Posaune - ein Instrument des Altertums und mit vorchristlicher Symbolik behaftet - wird mit unterschiedlichen Termini immer wieder in biblischen Texten erwähnt, spielt eine wichtige Rolle in christlichem Glauben und im Alltag
der Evangelischen Gemeindearbeit. Ich erinnere hier nur an die Tradition des Posaunenchorblasens in den Kirchen des 20. und 21. Jahrhunderts. Wie die Posaunen der sieben Engel ausgesehen haben, darüber kann man nur spekulieren.
Sicherlich waren die dort gemeinten Instrumente noch nicht so ausgereift wie die heutigen Zugposaunen.
Die sieben Engel lassen sieben mal die Posaune erschallen, wie Johannes berichtet, und verkünden damit jeweils eine der Plagen, die uns Menschen schon öfter getroffen haben und immer wieder treffen. Man mag von göttlicher Strafe
für die Sünde sprechen. Andere lehnen ein solches Bedrohungsszenario nach dem Vorbild diverse Hollywood-Streifen ab. Fest steht jedoch, dass an vielem Unglück, Kriegen wie Unwettern der Mensch als handelndes Subjekt nicht außen
vor steht. Der Mensch ist also ursächlich beteiligt. Unter diesem Aspekt haben die warnenden Texte der Apokalypse für mich durchaus ihre Aktualität.
Meine Musik kommentiert nicht diese Texte. Sie wird dem aufmerksamen Hörer eine emotionale Ebene erröffen in die der mögliche Vortrag der Texte hineingestellt ist. Dabei behält die Musik ihre Autonomie.
Halle, 13. Mai 2017
Thomas Buchholz
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